Plastische Chirurgie in Südkorea
Was ist das weibliche
Schönheitsideal und wie wichtig ist es in der südkoreanischen Gesellschaft?
„Beatuy cannot be quantified or objectively measured; it is the result of
the judgement of others“
(Saltzberg &
Chrisler, 1997, S. 135 zit. in Bissell & Chung, 2009, S. 229).
Wird uns die Frage
gestellt, eine perfekte Frau zu beschreiben, gehen uns meist die westlichen Schönheitsideale
durch den Kopf, welche zum Beispiel sind: schlanke lange Beine, eine schmale
Taille, perfekte rund geformte und symmetrische Brüste, grosse Augen, ... Die
Liste liesse sich lange weiterführen. Diese Eigenschaften gelten jedoch nicht
überall auf der Welt als schön. Bissell und Chung (2009, S. 229) bestätigen,
dass die Definition der notwendigen Eigenschaften der Schönheit sehr komplex ist, da es keine globale Norm für Schönheit gibt. Je nach
geografischer Region herrschen andere Standards vor, die sich mit der Zeit
verändern. Wo sich die heutige Schönheitsvorstellung auf eine besonders
interessante Art entwickelt hat, ist in Südkorea. Während dem Koreakrieg war die südkoreanische
Halbinsel von den Vereinigten Staaten besetzt. Diese übten dementsprechend
einen grossen Einfluss auf das Land aus. Nach dem Ende der Kriegszeit im Jahr
1953 konnte sich die neue Republik Korea mit der Unterstützung der USA schnell
modernisieren und industrialisieren. Die US-amerikanische Kultur war also
ständig präsent und somit konnten sich einige amerikanische Schönheitsideale
mit Leichtigkeit im Land festigen (Bissell & Chung, 2009, S. 230).
Dementsprechend möchten viele Koreanerinnen so nahe wie möglich an westliche
Schönheitsideale herankommen. Das als perfekt wahrgenommene Gesicht hat grosse
Augen, eine Stupsnase, welche aber für westliche Standards etwas breiter ist,
und weiche, fast puppenhafte Gesichtskonturen. Diese Beschreibung trifft auf das in Abbildung 1 dargestellte Mädchen zu. "Sunny" wird hier einem weit bekannten westlichen Schönheitsideal, Angelina Jolie, gegenübergestellt. Wie Bissell und Chung (2009, S. 230) und
Kim, Seo und Baek (2014, S. 27) beschreiben, liegt in Südkorea der primäre
Fokus der Schönheit auf dem Gesicht, während in den USA mehr auf den Körper
geschaut wird. Bezüglich der Schönheitsideale des Körpers in Südkorea gilt fast
aussschliesslich, dass eine dünne Figur attraktiv und wünschenswert ist (Bissell
& Chung, 2009, S. 231). Im Gegensatz zu den meisten westlichen Ländern, wo
es üblich ist, „sexy“ auszusehen, möchten Koreanerinnen hingegen generell eher
unschuldig und “süss” (auf koreanisch = aegyo) wirken. Da Schönheit in jeder Gesellschaft anders definiert wird, ist also eine einheitliche Beschreibung des Schönheitsideals unmöglich.
Abbildung 1: Girls Generation "Sunny": Aegyo-Queen vs. Angelina Jolie: First Sexiest Woman Alive (2004)
In Korea haben die „Schönen“ in jeder Hinsicht des Lebens
tatsächlich mehr Vorteile und sind zudem erfolgreicher (Lee, 2016 S. 14). Diese „Hierarchie
der Schönheit“ wird im Video von Asian Boss (2016) sichtbar. Der Interviewer
geht dabei durch die Strassen von Gangnam und befragt die Passanten über ihre
Meinung zur plastischen Chirurgie und zu Schönheitsidealen in Südkorea.
Asian Boss (2016) : Why do Koreans get Plastic Surgery?
In Gangnam sind Schönheitskliniken besonders präsent. Demensprechend fanden die Interviews dort statt und zeigten, dass die südkoreanische Gesellschaft im Vergleich zu anderen äusserst
kompetitiv ist (Schwartzman, 2012). Im obenstehenden Video von Asian Boss (2016) ist das Ausmass dieser Denk-/ und Verhaltensweise auch bezüglich des Themas des Aussehens gut wiedererkennbar. Ein Mädchen bestätigt die starke Präsenz von
Schönheit in der koreanischen Gesellschaft mit folgender Aussage: “No matter
what you do, you have to be pretty.”. Es geht sogar so weit, dass eine Mutter
ihrer Tochter sagt, ihre Schönheit sei ein kompetitiver Vorteil in der
Berufswelt. Zudem erhalten Gutaussehende gemäss den lokalen Medien einen
höheren Lohn (Asian Boss, 2016). Verschiedene Studien suggerieren, dass das
Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl der Koreanerinnen aufgrund von diesen
eben beschriebenen gefestigten Prinzipien wesentlich tiefer als dasjenige von
US-Frauen sei (Bissell & Chung, 2009, S. 231).
Zum Zweck der Beantwortung unserer Forschungsfrage, haben wir ein Interview mit unserer Freundin Eunji Lee, die wir in Korea kennengelernt haben, durchgeführt. Nachfolgend sind immer wieder Videosequenzen des Skype-Interviews mit ihrer Ansichtsweise und Erfahrung eingebettet. Auch Eunji bestätigte uns den Konkurrenzkampf im südkoreanischen Alltag. Sie erzählte uns die Geschichte ihrer Freundin, welche sich, unterstützt von ihren Eltern, einer Schönheitsoperation unterzogen hat.
Eunji Lee über Face Shaping
Plastische Chirurgie und deren Risiken
Bereits bei der Definition des Begriffs „Schönheit“ im Kontext der Schönheitsindustrie in Korea kamen perfektionistische Vorstellungen auf. Aus diesem Grund ist es fraglich, inwiefern die am Anfang des Beitrages beschriebene Einstellung gegenüber Schönheit haltbar ist. Wir finden es gefährlich, dass Schönheit in der südkoreanischen Gesellschaft als etwas Kompetitives und sogar als Wettbewerbsvorteil gesehen wird, zumal der Schönheitswahn auch viele Gefahren mit sich bringen kann. Diese sind zum Beispiel die gesundheitlichen Risiken und Folgen, welche mit der plastischen Chirurgie mitschwingen, jedoch auch die psychologischen Effekte eines tiefen Selbstwertgefühls. Ausserdem leben vor allem die koreanischen Teenager mit dem ständigen Gedanken „nicht schön genug zu sein“. Belegt werden die Gefahren in der Dokumentation von 101 East (2014), wo zahlreiche Fälle von Patient*innen, welche nach ihrer Operation unzufrieden mit dem Resultat sind, oder sogar weitergehende medizinische Beschwerden mit sich tragen müssen, gezeigt werden. Die Verzweiflung und auch der Wille sich trotz des Wissens der zahlreichen Nebenwirkungen unters Messer zu legen, ist, wie auch Eunji im Interview bestätigt, hoch. Um dies zu eliminieren, müsste eine fundamentale kulturelle Veränderung stattfinden, was jedoch praktisch unmöglich zu implementieren ist. Die ganze Problematik hat sich über die letzten 70 Jahre fest in der südkoreanischen Gesellschaft verankert, und wurde schliesslich unter anderem durch den Hallyu-Trend weiter gefestigt. Das Verständnis von Schönheit müsste in dieser Gesellschaft neu definiert, vermittelt und vorgelebt werden, um eine nachhaltige Veränderung zu erzielen. Dies kann im dem Sinne verstanden werden, dass ein Schritt in die richige Richtung bereits wäre, das Selbstwergefühl der koreanischen Frauen zu verbessern, indem die Schönheitsindustrie etwas weniger präsent dargestellt würde. So etwas in einer sich beretis etablierten Gesellschaft bewirken zu wollen, erfordert viel Zeit und auch die Vorgehensweise zur Erreichung dieses Ziels ist unbestimmt und kompliziert. Dabei stellt sich auch die Frage, warum wir diese in Korea vorhandenen Strukturen verändern möchten, wieso es für uns kein akzeptabler Lebensstil ist, und weswegen wir uns widerstreben unsere eigene Schönheitsvorstellung zu hinterfragen.
Seit dem Ende des
Koreakriegs 1953 und dem Wiederaufbau des Landes, wurde die plastische
Chirurgie, auch mithilfe des Vorhandenseins des medizinischen Tourismus (siehe
weiter unten), ein ökonomisch notwendiges Mittel zum Überleben des Landes (Lee,
2016, S. 10). Die Allgegenwärtigkeit der Schönheitskliniken wird besonders im
dafür berühmten Stadtteil Gangnam in Seoul klar. Es wird geschätzt, dass es in
ganz Südkorea mehr als 1000 Schönheitskliniken gibt (NZZ, 24.04.2011). An jeder Ecke stehen enorme
Hochhäuser welche von Kliniken besetzt sind. Die “Grand Plastic Surgery” ist
eine der bekanntesten und wohl auch luxuriösesten (101 East, 2014). Es ist dementsprechend nicht
verwunderlich, dass Südkorea die höchste Pro-Kopf Rate an Schönheitsoperationen
aufweist. Laut einer Befragung des südkoreanischen Staates im Jahr 2007,
wollten sich 41.4% der koreanischen Teenager einer Schönheitsoperation
unterziehen. Darunter befanden sich auch Männer. Der Hauptgrund, welcher
angegeben wurde, war die Hoffnung auf eine bessere Arbeit (Bissell & Chung,
2009, S. 231).
101 East (2014) : Plastic Surgery: The Cost of Beauty.
Das Ziel der
Koreanerinnen, die sich operieren lassen, ist es, mehr wie eine “Westlerin” auszusehen (Lee, 2016, S. 3). Aus diesem
Grund ist die beliebteste Operation diejenige, welche die doppelte
Lidfalte erzeugt (101 East, 2014). Die Augen erscheinen somit grösser, runder
und sehen generell europäischer aus. Weitere beliebte Operationen sind die
Verschönerung der Nase (Rhinoplastik) und die Erstellung der sogenannten V-Line (V-라인) im Gesicht, was bedeutet, dass die Kieferknochen so abgefeilt werden, dass
damit eine schärfere definierte Gesichtskontur resultiert. In den Abbildungen 2 bis 4 sind Vorher-Nachher Bilder der drei erwähnten Schönheitsoperationen zu
sehen. Wie in den Fotos klar wird, sind die Menschen danach meist nicht wiederzuerkennen.
Abbildung 2: Doppelte Lidfaltenoperation
Abbildung 3: Nasenkorrektur (Rhinoplastik)
Abbildung 4: V-Line (V-라인) Face Shaping
Verbunden mit den
Schönheitsoperationen sind zahlreiche Risiken, da es sich um schwerwiegende
Eingriffe in den menschlichen Körper handelt. Gupta (2015, S. 7) unterstreicht
zum Beispiel die Wichtigkeit der Individualität der Patienten. Jeder Mensch besitzt (wenn zum Teil auch nur
minime) anatomische Unterschiede, was dazu führt, dass nicht alle
Vorgehensweisen einer Schönheitsoperation auf jede Person passen. Deshalb ist eine vorhergehende Konsultation zur Abstimmung der individuellen Behandlung notwendig. Da in
Südkorea die Schönheitsindustrie sehr gross ist, sind hier praktisch alle
Prozeduren aus Zeit- und Effizienzgründen weitgehend standardisiert. Mit dem
mangelnden Aspekt der Anpassung der Eingriffe begründet Gupta (2015, S.7) die
vermehrt auftretende Unzufriedenheit der Patienten. Manchmal sind sie nicht
glücklich mit dem Ergebnis, können aber auch nicht genau sagen, an was dies
liegen könnte. Ein Grund kann in der fehlenden Anpassung der Prozedur an den
Patienten liegen, was dann ein leicht unnatürliches Aussehen mit sich
bringen kann. Im oben erwähnten Video von 101 East (2014) werden zu diesem Zweck misslungene
Operationen gezeigt. Bei einer Patientin formte sich beispielsweise ein
Doppelkinn, da nach der V-Linen-Operation die Haut nicht mehr richtig
vernäht wurde.
Ein grosses Problem sind
ausserdem die Umsetzung von Anästhesien (101 East, 2014). Diese sollten immer
von Spezialisten durchgeführt werden. Die meisten Kliniken legen sie jedoch,
wiederum aus Effizienz- und Spargründen, nicht viel Wert darauf, spezialisiertes
Personal einzustellen oder einzusetzen. Dies kann zu schwerwiegenden Folgen,
wie beispielsweise Lähmungen führen. Bei 101 East (2014) wird in diesem Rahmen
eine Frau gezeigt, welche nach der Operation ihr linkes Auge nicht mehr
schliessen kann.
Die Rolle der Massenmedien und des Marketings
Läuft man durch die
pulsierende und nie schlafende Hauptstadt Südkoreas, Seoul, wird die
Allgegenwärtigkeit der Schönheitsindustrie schnell klar. Besonders im Stadtteil
Gangnam wird mit “Tax-Free” Operationen für medizinische Touristen (Abbildung 5), aber auch
mit den gängigsten Prozeduren wie zum Beispiel dem doppelten Augenlid und der
V-Line geworben. Überwältigend ist die Anzahl Werbeplakate in der U-Bahn. Es
herrscht ein Überfluss an Werbungen von Schönheitskliniken, Ärzt*innen die mit
ihren Diensten werben, und “schönen” Menschen, die jetzt mit ihrem Leben scheinbar
viel glücklicher geworden sind, dominieren die Werbeplakate an Wänden der
Häuser/Gebäude und der U-Bahn (Abbildungen 6 & 7, Quelle: Privat).
Abbildung 5: Tax-Free Schönheitsoperationen (Quelle: Privat)
Abbildung 6: Verkauf von Schönheitsoperationspaketen (inkl. V-라인- Operation) in der U-Bahnstation von Gangnam (Quelle: Privat)
Abbildung 7: Werbung für eine Brustoperation, U-Bahnstation von Gangnam
Abgesehen von den Plakaten
mit den operierten Frauen, besteht die Werbung oftmals auch aus Vorher-/Nachher-Bildern,
die die Transformation und damit das gewünschte Resultat zeigen sollen. Damit
sollen nicht nur neue Kund*innen angelockt werden, sondern bestehende Patient*innen sollen auch zu weiteren Operationen verleitet werden. Die primäre Anspruchsgruppe
sind generell Frauen und Mädchen. Doch es sollen auch vermehrt
Männer angesprochen werden, da sie sich diesbezüglich auch immer mehr chirurgisch verschönern
lassen (Tai, 2017). Auch dies wird marketingtechnisch gefördert, indem anstatt
Frauen, Männer als Models eingesetzt werden. Dieser Trend wird vor allem bei den
koreanischen Medienstars ersichtlich. Den jungen Menschen, vor allem Mädchen,
wird durch die allgegenwärtige Vermarktung der Schönheitschirurgie vermittelt,
dass sie nicht schön seien, respektive nicht attraktiv genug für die
Gesellschaft, in der sie sich befinden. Im Interview spricht Eunji Lee
dieses Phänomen an. Die überall hängenden Plakate mit perfekt aussehenden
Models versprechen, dass durch ein schönes Aussehen ein besseres und
erfolgreicheres Leben geführt werden könne (Davies & Han, 2011, S. 149). Wie
bereits erwähnt, schliessen gut aussehende Schüler in der Schule besser ab,
schöne Studierende haben bessere Noten an der Universität und allegemein attraktive
Personen bekommen meist eine bessere Arbeitsstelle. Ausserdem herrscht der Glaube vor, dass schöne
Frauen später eher einen attraktiven und erfolgreichen Mann heiraten, da eine schöne Ehefrau mit dem Erfolg ihres Partners assoziiert wird (Davies & Han,
2011, S. 149).
Durch den hohen Digitalisierungsgrad des Alltags leben die Koreaner*innen, vor allem
in den städtischen Gebieten, unter einer intensiven digitalen Beeinflussung.
Ihr Alltags-/ und Arbeitsleben wird von elektronischen Plakaten und digitalen
Screens begleitet (Davies & Han, 2011, S. 147f.). Somit sind sie tagtäglich Werbungen der Schönheitsindustrie ausgesetzt.
Nach Kim et al. (2014, S.
27) geschieht zudem durch das allgegenwärtige Marketing der Massenmedien eine
sexuelle Objektivierung der Frauen, was ihr Selbstwertgefühl drastisch
sinken lässt. Dies kann aus der hohen Zahl an Patientinnen für Schönheitschirurgie geschlussfolgert
werden. Durch die ständige Vermarktung der plastischen Chirurgie wird
suggeriert, dass das Aussehen einer Frau die „Quelle ihres Wertes“ sei; ihr Körper muss somit "den sozialen Normen der Attraktivität" entsprechen (Abbildung 8). Dieses Schönheitsideal konnte sich durch die kontinuierlichen Marketingmassnahmen mit Leichtigkeit in der Gesellschaft implementieren. Dies wiederum führt dazu, dass sich koreanische Frauen vermehrt mit
diesen unerreichbaren Standards vergleichen und somit auch anfälliger für die
Werbungen sind.
Abbildung 8: Soziale Normen der Attraktivität
Auch Eunji Lee nimmt dieses eben beschriebene Schönheitsideal im Alltag deutlich wahr, und beschrieb es uns aus ihrer Sichtweise.
Das südkoreanische Schönheitsideal aus Eunji Lees Sicht
Die Massenmedien an sich werben jedoch nicht nur mit den Schönheitskliniken. Ihre effektivste Art der
Werbung ist der Hallyu-Trend (Lee, 2016, S. 19). Das Hallyu ist auch
unter dem Begriff der koreanischen Welle bekannt und beschreibt den kulturellen
Informationsexport seitens Korea (Huh & Wu, 2017, 1388f). Es entstand in den frühen 2000er-Jahren mit der Popularisierung des
K-Pops als jugendliche Bewegung (Chen, 2015, S. 26). Verglichen werden kann das Hallyu mit dem
US-amerikanischen Hollywood. Das Hallyu hat in China und Südostasien eine grosse
Bedeutung. Ausserdem gewinnt es ausserhalb Asiens vermehrt an Popularität. Die
Verbereitung des Hallyus erfolgt durch die koreanische Popmusik (K-Pop) und die
koreanischen TV-Serien (K-Drama). Bekannte K-Pop Bands sind beispielsweise die
Girls Generation, auch als SNSD bekannt, oder PSY, der mit dem Song Gangnam Style
weltweit bekannt wurde. In der koreanischen Filmindustrie ist die Serie Dream High ein grosser
Hit, nebst weiteren bekannten Serien wie „Boys over Flowers“ oder „Winter Sonata“. Der Hallyu-Trend fördert also die Bekanntheit der koreanischen Idole,
vor allem in China und Südostasien. Diese eben beschriebene Präsenz der K-Pop Stars beeinflusst das Körperbild der Jugendlichen erheblich, was auch Eunji Lee im Interview hervorhebt.
Der Einfluss der koreanischen Idole auf die Jugendlichen
Durch die hohe Anzahl an
koreanischen Idolen haben die renommierten Schönheitskliniken genug Referenzen.
Medien berichten oftmals von Schönheitsoperationen der Stars und wie sie
verlaufen sind. Die Idole verwenden in Interviews dabei „beiläufig“ den Namen ihres
Schönheitschirurgen oder ihrer Klinik. Auf diese Weise gewinnen die Kliniken an
Reputation, ohne viel in Werbung investieren zu müssen. Dies ist eine der wichtigen Methoden wie sie internationale Aufmerksamkeit erreichen.
Wie der Hallyu-Trend die
koreanische Schönheitsindustrie in Korea fördert
Was genau beinhaltet das Hallyu schlussendlich und welchen Effekt hat es auf die plastische
Chirurgie? Wie schon erwähnt, erreicht das Hallyu seinen gewünschten Effekt
durch die weite Verbreitung der koreanischen Film- und Musikkulturen. Die
Sänger, vor allem K-Pop-Gruppen/Bands, werden systematisch im panasiatischen
Raum vermarktet und gefördert. Dabei werden die Idole werden bis zu ihrem Erfolg jahrelang
trainiert, wobei viele von ihnen auch durch Schönheitsoperationen „verschönert“
werden. K-Pop-Idole werden im Laufe ihrer Karriere in den verschiedensten
Medienbereichen eingesetzt, wie zum Beispiel in der Schauspielindustrie, in Talk-Shows und vor allem in Werbekampagnen für Kosmetik. Durch die Perfektion der Idole soll die Anerkennung Koreas und dessen Kultur gefördert
werden (Cho, 2017, S. 2309f.).
K-Pop-Stars wachsen und
entwickeln sich mit ihren Zielgruppen mit, und stellen somit eine Beziehung zu
ihren Fans her. Sie teilen die koreanische Kultur und Zeit mit ihren Fans,
leben in ihren Musikvideos das gleiche Leben wie sie und werden als
Vorbilder, oder eben als Idole, verehrt. Diese Entwicklung der K-Pop-Stars ist in den Musikvideos, Interviews und Bilder der Idole, die im Verlauf ihres Debüts bis zum heutigen Zeitpunkt entstanden sind, zu erkennen. Dadurch, dass die Stars offen über
ihre Schönheitsoperationen sprechen, und die Medien einen massgebenden Fokus auf
die plastische Chirurgie setzen, wird die Normalisierung von
Schönheitschirurgie gefördert. Nicht nur werden Inländer dazu
animiert, sich chirurgisch verschönern zu lassen, sondern das Hallyu fördert auch vermehrt
den medizinischen Tourismus. Korea hat sich in den letzten Jahren zu einem
wichtigen Ort für die plastische Chirurgie etabliert. Mit der steigenden
Tendenz des medizinischen Tourismus wird angenommen, dass sich Korea demnächst als dessen
Hub entwickeln könnte (Eun, 2013, S. 1562).
Medizinischer Tourismus
als Schlüsselfaktor des Hallyus
Ein “zu-jung-sein” für
eine Schönheitsoperation gibt es für ausländische medizinische Touristen
zumindest gesetzlich in Korea nicht, was eine Mitarbeiterin im Gangnam Medical Tour Center in Seoul bekräftigt. Das Gangnam Medical Tour Center bringt alle
Dienstleistungen der Schönheitschirurgie zusammen. Für medizinische Touristen
kann der Ort dementsprechend der erste Anhaltspunkt ihrer schönheitstechnischen
Veränderung sein. In diesem Zentrum wird jede/r beraten, der/die noch nicht
weiss, was sie/er genau an sich verändern möchte. Schlussendlich wird einem
auch die spezialisierte Klinik für das zu behebende „Problem“ zugewiesen (101
East, 2014).
Vor allem Chines*innen
nehmen koreanische chirurgische Dienstleistungen gerne in
Anspruch. Viele ahmen ihre chinesischen Idole nach, und wollen so aussehen wie die Stars aus
Korea. Somit ist eine Schönheitsoperation in Korea ein Must-Do (Stevenson,
2014). Mittlerweile kooperieren Reiseunternehmen, wie die Agentur Medical Avenue Korea, mit den Airlines, Hotels und Schönheitskliniken und bieten Tourist*innen All-in-One-Packages an, welche nebst Touren und Shopping auch Schönheitsoperationen
beinhalten. Durch die Zusammenarbeit mit Fluggesellschaften und Reisebüros sollen
somit Nicht-Koreaner*innen und potentielle Zielgruppen, die noch nicht vom Hallyu erreicht
wurden, auf die koreanische Schönheitsindustrie aufmerksam gemacht werden. Die
Patient*innen betreiben von sich aus und aufgrund ihrer Zufriedenheit Mund-zu-Mund-Propaganda.
Sie dokumentieren und diskutieren auf den sozialen Medien, Blogs und Videos über
ihre Operation und empfehlen wie jede*r zufriedene Kund*in die Klinik weiter.
Korea ist im Bereich der plastischen
Chirurgie sehr stark vom medizinischen Tourismus abhängig, da die potentiell zu
operierende Bevölkerung mit der Zeit stagniert, gleichzeitig aber die Anzahl an
Schönheitschirurg*innen und Kliniken jährlich steigen (Huh & Wu, 2017, S.
1392). Dadurch erkennt man die Wichtigkeit des Hallyus für die
Schönheitsindustrie in Korea. Abgesehen davon, dass der medizinische Tourismus
die Schönheitsindustrie fördert, wird damit auch die gesamte Volkswirtschaft
Koreas angekurbelt (Huh & Wu, 2017, S. 1392). Die Patient*innen, oder wie
man es nimmt, die Kund*innen halten sich länger im Land auf, konsumieren
koreanische Produkte und Dienstleistungen. Dies fördert die Produktion und das
Einkommen der koreanischen Bevölkerung. Dies fiel auch Eunji Lee auf.
Eunji Lee über den Medizinischen Tourismus
Weitere Werbemassnahmen
zur plastischen Chirurgie
Abgesehen von den Stars
als lebendige Schaufensterpuppen, den Internetplattformen und den klassischen
Werbeplakaten, vermarkten sich die Schönheitskliniken auch über Reality Shows,
in denen die Chirurg*innen ihr Können unter Beweis stellen dürfen. Eine
bekannte Show ist beispielsweise die „Let me in“ - Sendung. Dort bewerben sich
nicht nur Koreaner*innen, sondern auch Leute aus anderen Ländern des asiatischen
Raums, um eine Schönheitsoperation. Auffallend dabei ist, dass die Juror*innen
der Sendung entweder selber plastische Chirurgie in Anspruch genommen haben
oder aber direkt in der Schönheitsindustrie tätig sind. Die Bewerber*innen
haben meist ausgeprägte Eigenschaften, beispielsweise ein extremes Untergebiss,
eingefallene Augen oder zu ausgeprägte Wangenknochen. Dieses Aussehen
entspricht eben nicht dem koreanischen Schönheitsideal. Der Grund für die
Teilnahme in dieser Sendung ist, dass die Bewerber*innen stark unter ihrem
Aussehen leiden und sich nicht mehr in der Gesellschaft zeigen können oder
wollen. Das Leiden der Anwärter*innen wird oftmals auch von den Eltern
gefördert. In der Show wird dann nicht die
Einzigartigkeit der Bewerber*innen hervorgehoben. Vielmehr wird ihr unkonventionelles
Aussehen als etwas Schreckliches dargestellt, da es nicht in die
Schönheitsvorstellungen der koreanischen Gesellschaft passt.
Let Me In: Hairstylist without Expression
Die Ärzt*innen beraten und
unterstützen sich gegenseitig mit der Transformation und die ausgewählten
Bewerber*innen erhalten von ihnen kostenlose Operationen. Am Ende jeder Show
tritt eine vollkommen fremde Person auf, strahlt voller Selbstbewusstsein und
vergleicht sich mit dem vorherigen, „hässlichen“ Ich. Man kann die Bestürzung
und Trauer bei den Bewerber*innen vor den Operationen wie auch die Begeisterung und Euphorie der Zuschauenden nach der Transformation mitspüren. Durch die
Unterstreichung, dass Andersartigkeit eine starke negative Bedeutung hat, und
die Betonung auf das Schönheitsideal als etwas Fantastisches, wird der
Bevölkerung eine Gehirnwäsche unterzogen und die Schönheitschirurg*innen als
Schöpfende des neuen Daseins gepriesen.
Fazit und ReflexionBereits bei der Definition des Begriffs „Schönheit“ im Kontext der Schönheitsindustrie in Korea kamen perfektionistische Vorstellungen auf. Aus diesem Grund ist es fraglich, inwiefern die am Anfang des Beitrages beschriebene Einstellung gegenüber Schönheit haltbar ist. Wir finden es gefährlich, dass Schönheit in der südkoreanischen Gesellschaft als etwas Kompetitives und sogar als Wettbewerbsvorteil gesehen wird, zumal der Schönheitswahn auch viele Gefahren mit sich bringen kann. Diese sind zum Beispiel die gesundheitlichen Risiken und Folgen, welche mit der plastischen Chirurgie mitschwingen, jedoch auch die psychologischen Effekte eines tiefen Selbstwertgefühls. Ausserdem leben vor allem die koreanischen Teenager mit dem ständigen Gedanken „nicht schön genug zu sein“. Belegt werden die Gefahren in der Dokumentation von 101 East (2014), wo zahlreiche Fälle von Patient*innen, welche nach ihrer Operation unzufrieden mit dem Resultat sind, oder sogar weitergehende medizinische Beschwerden mit sich tragen müssen, gezeigt werden. Die Verzweiflung und auch der Wille sich trotz des Wissens der zahlreichen Nebenwirkungen unters Messer zu legen, ist, wie auch Eunji im Interview bestätigt, hoch. Um dies zu eliminieren, müsste eine fundamentale kulturelle Veränderung stattfinden, was jedoch praktisch unmöglich zu implementieren ist. Die ganze Problematik hat sich über die letzten 70 Jahre fest in der südkoreanischen Gesellschaft verankert, und wurde schliesslich unter anderem durch den Hallyu-Trend weiter gefestigt. Das Verständnis von Schönheit müsste in dieser Gesellschaft neu definiert, vermittelt und vorgelebt werden, um eine nachhaltige Veränderung zu erzielen. Dies kann im dem Sinne verstanden werden, dass ein Schritt in die richige Richtung bereits wäre, das Selbstwergefühl der koreanischen Frauen zu verbessern, indem die Schönheitsindustrie etwas weniger präsent dargestellt würde. So etwas in einer sich beretis etablierten Gesellschaft bewirken zu wollen, erfordert viel Zeit und auch die Vorgehensweise zur Erreichung dieses Ziels ist unbestimmt und kompliziert. Dabei stellt sich auch die Frage, warum wir diese in Korea vorhandenen Strukturen verändern möchten, wieso es für uns kein akzeptabler Lebensstil ist, und weswegen wir uns widerstreben unsere eigene Schönheitsvorstellung zu hinterfragen.
- Theresia Nguyen und Adina Trinca
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